Im April 2022 gab es überraschende Neuigkeiten aus Wien. Der freie Fernsehsender „Okto TV“ (Okto) soll von der Stadtpolitik fortan keine Förderungen mehr erhalten. Seitdem trotzt der Fernsehsender den politischen Umständen und sendet weiter. Obwohl Community-Medien wichtig sind, sie haben es bei weitem nicht einfach.

von Norbert Pany

Diese Entscheidung ist mehr als überraschend gekommen. Niemand hätte im April 2022 damit rechnen können, dass dem freien Fernsehsender „Okto“ plötzlich der Geldhahn von der Wiener Stadtpolitik nun gänzlich zugedreht wird. Lange hat man sich mit dem freien Fernsehsender geschmückt und die Relevanz wurde von politischer Seite hochgehalten. Das hat sich nicht zuletzt darin gezeigt, dass der Sender jährlich rund 1 Million Euro erhielt. Mit diesem Geld hat man nicht nur die MitarbeiterInnen bezahlt, sondern hat sich auf Aus- und Weiterbildung konzentriert.

Community-Medien erfüllen eine wichtige Aufgabe. Im Idealfall gibt es das Dreigespann aus einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den privaten Sendeanstalten und den freien, nicht-kommerziellen Medien. Die freie Medienszene möchte ein Sprachrohr für jene Gruppen und Themen sein, die ansonsten unterrepräsentiert sind und der Zugang ist niederschwellig. Das Motto lautet: es wird von der Gesellschaft für die Gesellschaft produziert. Da diese Medien nicht-kommerziell sind, gibt es keine der üblichen „Zwänge“ oder auferlegten Korsagen. Diese Medien sind nicht darauf ausgelegt profitabel zu sein, sondern sie sollen vielmehr eine permanente Möglichkeit sein, sich ausdrücken zu können.

Community-Medien sind für Medienkompetenz wichtig

Studio im FS1 Community TV Salzburg (C) FS1

Im Sinne des unabhängigen Status übernehmen die Community-Medien nicht selten eine große Aufgabe, wenn es um das Thema der Medienkompetenz geht. Aus- und Weiterbildung der Jugend im Medienbereich ist dabei von zentraler Bedeutung. Gerade in Zeiten der Digitalisierung, Social-Media und Fake-News wird das wichtiger denn je. In Österreich ist die freie Medienszene seit den 90er Jahren vor allem in den Zentren von Wien und Salzburg vertreten. Sind die freien Radiosender die alteingesessenen Herren, sind die Fernsehsender wie Okto (Wien) oder FS1 (Salzburg) die jüngeren Kinder. Aber das Wiener Community-Medium gibt es schon seit 17 Jahren;

in dieser Szene nicht selbstverständlich. Und genau diesen Sender möchte die Politik nun nicht mehr unterstützen.

Seit 2020 wurden die Förderungen sukzessive reduziert. Von der Million blieben bald nur noch ein paar Hunderttausend übrig. Im April wurde dann gleich auf Null geschaltet. Dabei kann man nicht sagen, dass der Politik Medien generell weniger wert seien. Ganze 24,2 Millionen wurden 2021 allein in Wien für die Schaltung von Inseraten ausgegeben. Die Beweggründe, Okto nicht mehr zu fördern, wurden von EntscheidungsträgerInnen nie angeführt.

Werbung und Qualität sind entscheidend

Außenstehenden bleibt nur die Spekulation. Als kurz nach der Entscheidung im April vermehrt Straßenumfragen durchgeführt wurden, hat eine große Mehrheit noch nie etwas vom Sender „Okto“ gehört, beim Durchzappen ist zum Teil auch das Programm als nicht relevant gewertet worden. Kurz gesagt: von der Idee hinter den Community-Medien und dem wichtigen Auftrag hat man im Output nichts gesehen. Tatsächlich ist auch das ein Problem der ganzen Szene. Kontrollinstanzen gibt es nicht und ein richtiges „Budget“ oder gar Werbekampagnen gibt es noch weniger.

Okto hat nun das Glück, dass die allgemeine Rundfunk- und Digitalförderung um ein paar Prozent erhöht wurde. Damit ist das Fortbestehen des Senders, zumindest auf kurze Sicht, gesichert. Der Sender möchte auch weitermachen. Dies geht aber nur zu zweierlei Lasten: MitarbeiterInnen wurden entlassen und auf Aus- und Weiterbildung muss vorerst verzichtet werden. Als Förderer des Senders wird auf der Webseite nur noch die „RTR“ angeführt. Von (Stadt- oder Kultur-)Politik keine Spur. Bisherige Gespräche zwischen Okto und den Entscheidungsträgern brachten keine Erfolge.

Im Gespräch mit Alf Altendorf aus Salzburg

Alf Altendorf ist seit über zwei Jahrzehnten in der freien Medienszene tätig.

Was können Community-Medien tun? Welche Chancen und Möglichkeiten haben sie? Darüber gibt es ein Gespräch mit Alf Altendorf. Er hat Betriebswirtschaftslehre und bildnerische Erziehung in Wien studiert. Nach Anfängen beim Piratenradio und Tätigkeiten als Autor und Kulturjournalist ist er seit mehr als 25 Jahren in der Medienszene aktiv. Er war an der Entwicklung und Durchsetzung von Okto beteiligt, er ist Mitgründer von TIV (heute gotv), seit 2008 ist er beider radiofabrik in Salzburg und seit 2012 ist er Geschäftsführer von FS1 in Salzburg. Er engagiert sich für eine Vielzahl von Projekten in der Community-Medienszene. Alf Altendorf ist im Vorstand des Verbands des freien Rundfunks Österreichs und im Dachverband der Salzburger Kulturstätten.

 

 

 

 

Ohne ein Umdenken geht es nicht

Es bleibt abzuwarten, wie sich die freie Medienszene weiter entwickelt. Auf lange Sicht wird man sich von bisherigen Vorstellungen und selbst gesteckten Werten innerhalb der Szene verabschieden müssen. Wie Altendorf im Interview sagt, es geht um die „heiligen Kühe“. In Salzburg, so scheint es, wird es im kommenden Jahr mehr Redaktionen und Qualitätsmanagement geben. Das wird die Zukunft sein. Es wird weiterhin einen offenen Zugang geben, doch alles kann nicht mehr gezeigt werden. So werden die Sendungsinhalte in den Vordergrund gerückt, um das freie Medium bekannter zu machen. Für Okto wird 2023 entscheidend sein. Ohne ein politisches Entgegenkommen bleibt die Zukunft des freien Fernsehsenders ungewiss.

Gespräch mit Alf Altendorf in voller Länge:

 

 

 

Weiterführende Links:

https://www.okto.tv/

https://fs1.tv/

https://www.derstandard.at/story/2000137833537/buergerkanal-okto-sendet-mit-eingeschraenktem-betrieb-weiter

https://www.derstandard.at/story/2000135241682/das-ende-von-okto-tv-falsches-signal

https://www.vienna.at/okto-tv-hofft-nach-forderstopp-auf-umdenken-der-stadt-wien/7463563

https://www.krone.at/2694785

Community-Medien: Zwischen gesellschaftlichem Auftrag und politischen Widrigkeiten